Am Ende meiner Zeit in Uckerland. Nachdenken über gute Jahre. Und ein großer Dank.


Der „Rosenpaster“

Morgen ist Ewigkeitssonntag, das Kirchenjahr geht zu Ende.
Ein neues wird am Ersten Advent beginnen.
Zeit, zurückzudenken an das, was werden wollte, was war und nun vorüber ist.
„Niemand steigt zweimal in den selben Fluss“ heißt es in China – weil die Zeit fließt.
Kein Tag ist wie der andere, jeder Tag ist neu und voller Überraschungen.
Am Ende meiner beruflichen Laufbahn hatte ich mich dafür entschieden, eine Kirchgemeinde zu übernehmen „in der Hilfe gebraucht wird“ – das war meine Bedingung. Ich wollte mich überraschen lassen, wollte schauen, ob Neues werden kann.
Es wurden sechs aufregende und sehr gute Jahre im Nordwesten der Uckermark, an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern, anfangs als Teil der Pommerschen Kirche, nach deren Ende als Teil der Nordkirche. Gleich auf der anderen Seite der Bundesstraße beginnt die Berlin-Brandenburgische Landeskirche.
Grenzland.
Unsere Gegend hier war schon immer Grenzland.
Man ist es hier gewöhnt, Grenzen zu überschreiten.
Und genau das hat mich interessiert.
Als ich kam, wollte ich vor allem wissen, was angesichts der Bedingungen überhaupt „geht“. 20 Ortschaften, 11 Kirchen, 9 Friedhöfe. Eine Mitarbeiterin für Kinderarbeit stundenweise. Alles andere ehrenamtlich. Kein Kantor, kein Küster, niemand für Jugendarbeit. Man ist allein auf weiter Flur.
Also: was geht überhaupt, zumal bei den großen Entfernungen?

Es geht sehr viel.
Wenn man sich von Althergebrachtem konsequent löst.
Den Besuchsdienst machen die Ältesten. Kasualien müssen gemacht werden – Aufgabe des Hauptamtlichen.
Aber Gottesdienste? Das geht schon gemischt. Lektoren helfen.
Auch die Zeiten dafür ändern sich: Samstags, Sonntags, aber auch wochentags.
Sehr gut funktionieren „Projekttage“ – die Tages der offenen Gärten beispielsweise.
Sehr gut funktioniert, wenn wir als Kirchgemeinde unseren Beitrag zum Dorffest beisteuern: ein „Treffen der Chöre“ beispielsweise.

Bei uns heißt es: wer sich beteiligt, gehört dazu. Egal, ob getauft oder nicht.
Und unser Motto war und ist: suchet der Stadt Bestes (nicht euer eigen Bestes).
Unsere Frage in der Gemeindeleitung war folglich: was können wir für die Dörfer tun?

Und da ist sehr vieles gelungen.
Hetzels Dorp ist nun bekannt. Nicht nur in Deutschland.
Hetzels Dorp hat nun einen sehr großen Freundeskreis weit über Deutschland hinaus (über 40.000 Menschen verfolgen, was hier geschieht).
Sehr viele neue Kontakte sind entstanden – die Rosen haben das möglich gemacht. Über 7.000 Menschen waren leibhaftig hier – alles Multiplikatoren, Netzwerker, Weitererzähler.

Die Kirchgemeinde ist mitten im gesellschaftlichen Alltag angekommen, keine Randnotiz mehr und sie bringt ihren Beitrag zur Entwicklung der Kommune dazu. Ein gutes Miteinander ist entstanden zwischen Kommune und Kirchgemeinde.

All das ist sehr ermutigend. Wir sind konsequent neue Wege gegangen.
Vor allem, was die Kommunikation anbelangt. Ohne Internet geht hier gar nichts mehr.
Und das war richtig.
Und das hat sich mittlerweile bewährt.

Wir waren als Kirchgemeinde die ersten hier auf den Dörfern, die vom ersten Tag an konsequent das Internet genutzt haben, vor allem social media. Das war anfangs überhaupt nicht selbstverständlich – jetzt ist es selbstverständlich.

Dadurch haben sich die Gemeindegrenzen verschoben. Zu uns gehören nun nicht mehr nur Menschen die hier bei uns wohnen, sondern auch ein großer Kreis von Menschen, die ganz woanders leben und wohnen – uns aber verbunden sind. Nicht nur ideell übrigens.
Die theologischen Fachleute wissen, dass das auch auf eine moderne Ekklesiologie Auswirkungen hat und reflektiert werden muss – eine Aufgabe für die Universitäten und Ausbildungsstätten.

Es waren spannende, ermutigende, sehr interessante, oft auch anrührende sechs Jahre, die ich hier in Uckerland, hier in der Evangelischen Kirchgemeinde Pastor sein durfte.
Und ich bin all denen von Herzen dankbar, die mich dabei unterstützt haben.
Manchem war ich zu schnell – dafür bitte ich nachträglich um Pardon, aber ich hatte mir halt schon vorher überlegt, was ich wollte….
Danken will ich allen, die mich trotz meines Tempos warmherzig aufgenommen, unterstützt und getragen haben. Ohne das Gefühl, von einer großen Gemeinschaft getragen zu werden – übrigens ziemlich egal, ob Kirchenmitglied oder nicht – ohne dieses Gefühl wäre es nicht gegangen.

Nun sind alle Projekte, die wir begonnen haben soweit, dass sie selbständig weitergeführt werden können. Nun ist auch eine Nachfolgerin gewählt.
Nun kann ich in den Ruhestand. Der Acker ist gepflügt, die Saat ist gesät.
Dorothea Büscheck wird als neue Pastorin ihren Dienst antreten.
Wir haben uns darauf verständigt, dass wir Verabschiedung und Einführung in einem gemeinsamen Gottesdienst am 6. Januar um 14 Uhr in Wilsickow gestalten wollen.
Damit der Staffelstab ohne Unterbrechung gleich weitergereicht werden kann.

Morgen geht das alte Kirchenjahr zu Ende. Ewigkeitssonntag.
Und dann beginnt das neue Jahr mit dem Ersten Advent.
Wir gehen weiter auf unserem Lebensweg.
Wir gehen weiter dem entgegen, der uns längst entgegenkommt wie ein liebender Vater.
Wir feiern dann gemeinsam in der Heiligen Nacht die Ankunft dessen, der ganz Mensch geworden ist und der bei uns wohnen will und bei uns wohnt. Mitten unter uns.
Das ist die gute Nachricht.

P.s. Und wer mich im neuen Jahr sucht, der findet mich hier.

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Jubiläum


Wie in jedem Jahr haben wir in Werbelow gefeiert. Werbelow ist nämlich die einzige unserer Kirchen, die nach der Reformation errichtet wurde. 1536 zog die Reformation in Pommern ein, 1580 hat man das Kirchlein in Werbelow errichtet, einen einfachen Saalbau. Der Turm ist mittlerweile wegen Baufälligkeit schon wieder abgerissen worden, das Kirchlein ist notdürftig eingedeckt worden, damit es wenigstens nicht hineinregnet.

Wir feiern 500 Jahre Reformation. Aus fast allen Dörfern der großen Kirchgemeinde ist man angereist. Kirchenälteste natürlich, aber auch andere. Bei uns herrschen urchristliche Verhältnisse in den Dörfern: „Ich und mein Haus“ gehören zur Gemeinde – also familienweise geht das. Unsere Gemeinde ist im Grunde eine Familien-Gemeinde.
Es ist kalt im Kirchlein. Die Kirchenälteste hat aus dem Nachbardorf Sitzkissen gebracht, Gesangbücher auch, denn dieses Kirchlein wird nur einmal im Jahr genutzt – zum Reformationstag nämlich. Der Raum ist nun auch ausgefegt – man kann ihn jetzt nutzen.

Wir feiern 500 Jahre Reformation.
Ein Jahr lang haben wir uns in einem Kreis von etwa 20 Personen über insgesamt 11 Abende mit dem Phänomen „Reformation“ beschäftigt. Haben vor allem Texte gelesen, Quellen studiert. Nun geht dieses besondere Jahr zu Ende mit dem „Festgottesdienst in Werbelow“.
Der Kantor, der eigentlich zugesagt hatte, ist nicht erschienen.
Also singen wir – wie es bei uns gute Sitte ist – a capella, also „ohne Kapelle“.
Es gibt ohnehin kein schöneres Instrument als die menschliche Stimme.

Zwei Aspekte will ich heute sagen zu denen, die da sitzen und mir alle vertraut sind:
1. Die Reformatoren hatten eine große Tradition und eine mächtige Institution gegen sich.
Unser Gegner heute ist die Gleichgültigkeit. Wir leben hier im Nordosten Deutschlands in der entkirchlichtsten Region Europas. Wir haben nicht zu kämpfen, wir haben zu bekennen.
2. Ihr paar Leute, die ihr da sitzt – euch ist zugesagt: „ihr seid das Licht der Welt. Ihr seid das Salz der Erde“. Wenn, ja wenn ihr nicht wieder herausfallt aus jenem reformatorischen „sola fide“.
Das ist der eigentliche Vorwurf der Reformatoren an die Kirche ihrer Zeit gewesen:
„Ihr habt eure Erste Liebe vergessen!“ (Bonhoeffer 1933).
Unsere Aufgabe hier in dieser Region, die immer noch von so hoher Arbeitslosigkeit geprägt ist, die oftmals schon in der dritten Generation nichts mehr weiß von Religion, von Spiritualität, von praktizierter Frömmigkeit – unsere Aufgabe ist weniger „confessio“ (ich bekenne), sondern eher das ursprünglichere „CREDO„. Ich vertraue dennoch.
Anders als meine Umgebung, denen vieles gleichgültig geworden ist. Der ist egal, was mit der Welt wird, die „geht ohnehin den Bach hinunter“. „Da können wir nichts mehr machen“. Also: lasst uns wenigstens noch ordentlich feiern. Lasst uns noch eine Kreuzfahrt machen, noch einen schönen Urlaub, lasst uns das Leben noch so angenehm wie möglich gestalten – nach uns die Sintflut.
„Lasst und essen und trinken – denn morgen sind wir tot!“ „Es ist doch alles egal. Und mir ist egal, ob und was du glaubst“.
Dagegen setzen wir Protestanten CREDO – ich vertraue dennoch.
Das ist das Erbe der Reformation!
Ich vertraue dennoch, dass der Ursprung allen Lebens noch etwas mit uns vorhat. Dass mein Leben einen Sinn und ein Ziel hat. Dass uns diese Erde anvertraut ist, damit wir sie erhalten.

Sitzplätze für Prominenz hatten wir nicht reserviert in unserem Kirchlein.
Ich sah später im Fernsehen bei der Übertragung aus Wittenberg, dass man dort Plätze „für geladene Gäste“ reserviert und das Volk aussen vor gelassen hatte.
Mich hat das sehr seltsam berührt.

Wir hatten einen einfachen beinahe kargen, nüchternen und doch wesentlichen Gottesdienst, den wir da im nachreformatorischen Werbelow in unserem kalten Kirchlein gefeiert haben. Es war eine gute Gemeinschaft unter uns.
Ein würdiges Gedenken an diejenigen, die vor 500 Jahren den Mut hatten, zurückzukehren an die Wurzeln unseres Glaubens. Re – Formation. Kehrt zurück zu euren Wurzeln.
Genau das haben wir heute getan.
Mir hat sich dieses besondere Jubiläum gerade wegen seiner kargen Schönheit sehr eingeprägt. Ich werde es erinnern bis ans Ende meiner Tage.

 

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Vom Sinn des Leidens


„Jesus ist gekommen, damit er diene und sein Leben gebe zu einer Erlösung für viele“
(Matthäus-Evangelium, Kapitel 20). Wie kann man das verstehen?

Die Vorbereitungszeit auf das Osterfest ist eine Zeit, in der überall auf der Welt über das Leiden und Sterben Jesu nachgedacht wird. Passions-Musiken werden aufgeführt, zahlreiche Veranstaltungen finden dazu statt.
Welchen Sinn hatte es, dass dieser etwa dreißig Jahre alte Mann, den man Jesus nannte, unschuldig hingerichtet wurde? Diese Frage führt uns zum großen Thema „Leid des Menschen“.
Wer über die Passion Jesu spricht, der spricht vom Leid des Menschen.
„ECCE HOMO!“ – „Seht, welch ein Mensch!“. Oft ist dieser Satz aus der Passionsgeschichte vertont, gezeichnet, gemalt und interpretiert worden.
Dr. Viktor E. Frankl, ein 1905 geborener jüdischer Arzt und Psychiater, hat sein Leben lang über dieses große Thema geforscht, gearbeitet und geschrieben. Grundlage seiner Arbeiten über den Sinn des Leidens waren seine eigenen Erfahrungen als Häftling in vier Konzentrationslagern.
Er hat das sinnlose Sterben von hunderten, wenn nicht gar von tausenden Menschen gesehen. Er war selbst in ständiger Todesgefahr. Er hat erlebt, wozu Menschen in der Lage sind. Nicht selten waren die KAPOS, die selber Häftlinge waren, noch bestialischer als die Aufseher von der SS.
Frankl schreibt in seinem bemerkenswerten Buch „….trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“ aufgrund seiner Erfahrungen mit tiefstem menschlichem Leid:
„Es kommt nicht darauf an, was ich vom Leben erwarte. Es kommt vielmehr darauf an, was das Leben von mir erwartet.“
Diese Umkehr der Sichtweise nennt er eine „Kopernikanische Wende“ – wer so auf sein Leben schaut, für den verändert sich alles. Auch die Sicht auf das Leid, das ja zu jedem Leben dazu gehört.
Frankl berichtet zum Beispiel von einem Mithäftling in Auschwitz: der hatte einen „Pakt“ mit dem Himmel geschlossen. Sein Leiden und sein Sterben möge dem von ihm so geliebten Menschen einen qualvollen Tod ersparen.
Frankl schreibt dazu: „Für diesen Mann war Leiden und Sterben nicht sinnlos, sondern – als Opfer – voll tiefsten Sinnes geworden. Ohne Sinn wollte er nicht leiden und sterben.“

„Ich habe nichts mehr vom Leben zu erwarten“ – so sagten viele Häftlinge angesichts des nahen Todes im Konzentrationslager.
So sprechen auch heute nicht wenige Menschen, wenn sie schwerkrank oder von einem schweren Schicksalsschlag getroffen sind. Woher kann Trost kommen?
Aus dem Wechsel der Perspektive.
Wir, jeder von uns und jeder einmalig und unverwechselbar, wir geben dem, was wir erleben oder erfahren, einen Sinn.
„Es kommt nicht darauf an, was du vom Leben erwartest – sondern es kommt darauf an, was das Leben von dir erwartet.“ Manchmal erwartet es ein Opfer, manchmal erwartet es, dass wir das Leiden schlicht aushalten; manchmal erwartet es, dass wir weiterleben und etwas zu Ende bringen, das wir angefangen hatten….Jeder muss und kann die Frage nach dem Sinn selber beantworten. Es ist keine „schnelle“ Antwort. Keine oberflächlich nur so dahin gesagte. Aber eine, die sich finden lässt.
„Jesus ist nicht gekommen, damit man ihm diene, sondern damit er diene und sein Leben gebe für viele.“
Darüber lohnt sich, nachzudenken.

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Mit Ohnmacht umgehen


„Ich kann nichts tun.“ Das ist die Erfahrung von Ohnmacht. In Aleppo zum Beispiel.
Ich sehe die fürchterlichen Bilder, lese Kommentare, spüre meinen Zorn – und meine Ohnmacht. Ich kann nicht verhindern, dass diese ehemals wunderschöne Stadt nun nur noch Schutt und Asche ist. Ich habe nicht die Macht, das zu ändern. Andere treffen die Entscheidungen. Ich bin zum Zusehen verdammt.
Der Weltsicherheitsrat war am Ende seiner Möglichkeiten. Das Vetorecht verhindert Mehrheitsbeschlüsse in diesem einflussreichsten Gremium der Vereinten Nationen.
Die nationalen Regierungen sind am Ende ihres Lateins.
Assad hat sich mit Russland und dem Iran verbündet und bombt sich weiter durch’s Land.
Wir sehen die Bilder.
In Russland sieht man andere Bilder, wie Udo Lilischkies von der ARD mitgeteilt hat. Dort sieht man jubelnde Menschen, die sich über die „Befreiung“ von den „Terroristen“ freuen.
Welche Bilder stimmen? Wer setzt uns welche Bilder vor mit welcher Absicht?
Der Konflikt in Aleppo ist von sehr vielen Interessen geprägt. Kaum einer „sieht noch durch“, worum es da eigentlich geht.
Aber eines ist wohl sicher: die Zivilbevölkerung, die Alten, die Frauen, die Kinder, die Männer – sie sind die Leidtragenden.
Ich sitze im warmen Zimmer im reichen Deutschland an meinem Laptop und sehe die Bilder, spüre meinen Zorn, nehme auch wahr, dass so mancher im Lande verzweifelt ist über diese verfahrene Situation.
Menschen erleben sich als ohnmächtig.
Zum Zuschauen verurteilt. Andere handeln.

Wie kann ich mit dieser Ohnmacht umgehen? Lasse ich mich von ihr beherrschen? Nein.
Ich kann versuchen, herauszufinden, ob es nicht doch Wege der Hilfe gibt.
Kleine, zaghafte, angesichts des Elends beinahe lächerliche Wege.
Gibt es noch Organisationen, die in der Stadt Hilfe anbieten?
Ich beginne zu suchen.
Bei Brot für die Welt werde ich nicht fündig, da ist ein spezielles Hilfsprogramm für Aleppo noch nicht aufgelegt, das wird aber wohl noch kommen. Jetzt, nach dem Abzug der Rebellen aus dem Ostteil der Stadt. Hoffentlich werden nun die Zugangsmöglichkeiten für die Hilfsorganisationen wieder besser.
UNICEF finde ich. UNICEF ist noch mit 200 Mitarbeitern in der Stadt. Von Damaskus und von Aleppo aus versucht man zu helfen. Den Kindern vor allem.
Wenigstens ein kleiner Lichtblick.
Denen kann ich helfen.
Denen kann ich meine kleine Hilfe anbieten.
Und ich tue es gern. Es hilft mir, mit meiner Ohnmacht besser umzugehen. Wenigstens eine kleine Möglichkeit, meinen Zorn und meine Ohnmacht etwas zu besänftigen.
Viel ist es nicht, aber es ist etwas. Immerhin.
Ich brauche nicht völlig stecken zu bleiben im Gefühl der Ohnmacht.
Ich kann die Energie, die in meinem Zorn steckt, wandeln.
Und zu helfen versuchen.
So gut es geht.
Und es geht sehr schnell und sehr einfach.
Hier geht’s lang.

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Wider die Völkischen. Ein oral history Projekt gegen die Unvernunft


Die „Völkischen“ machen wieder mobil. Sie kommen aus allen Ecken, verbünden sich, organisieren sich. Sie hetzen gegen Politik, Parlament, „die da oben“, gegen vermeintliche „Eliten“. Das „Fremde“ soll wieder „raus aus unserem Vaterland“, da wird wieder was von einem „afrikanischen Ausbreitungstyp“ gefaselt (Höcke). Man reibt sich die Ohren.
Vielleicht ist es ja hilfreich, in einer solchen Situation die Generation zu befragen, die selbst erlebt hat, was bei solchem Denken am Ende herauskommt.
Deshalb haben wir hier bei uns auf dem Lande ein oral-history-Projekt begonnen, ein Projekt der „mündlichen Geschichtsschreibung“. Ich führe Interviews von etwa jeweils einer Stunde, manchmal auch mehr und dokumentiere diese Gespräche auf CD. Ein Exemplar bekommt der Gesprächspartner, ein Exemplar landet im Pfarrarchiv. Ein Ausschnitt des jeweiligen Gesprächs wird veröffentlicht.
Ich spreche vor allem mit der Generation der Kriegskinder. Derjenigen Menschen also, die am Ende des Zweiten Weltkriegs Kinder oder noch Jugendliche waren. Männer, die im Alter von 16 Jahren zusammen mit dem Volkssturm noch das „Vaterland retten“ sollten und dann in kurzen Hosen über lange Kilometer am Ende des Krieges wieder nach Hause in ihr Heimatdorf liefen.
Der Zweite Weltkrieg ist (neben anderen Ursachen) eben auch ein Ergebnis völkischen Denkens. Und deshalb ist es nicht unwichtig, von denen zu hören, die als Zeitzeugen berichten können, wie man ihnen, da waren sie noch Kinder, die Pistole an die Schläfe gehalten hat. Oder wie sie die vielen vielen toten Soldaten in den Straßengräben gesehen haben. Oder wie sie auf der Flucht gesehen haben, wie ganze Familien bei der Flucht übers Stettiner Haff einfach im Eis einbrachen und in den Fluten versanken.
Ich füge hier nun ein paar kurze Beispiele solcher Interviews ein. Mehr davon kommt nach und nach auf unserem Audioboom-Kanal. Man kann ihn abonnieren, wenn man möchte. Da die Interviews ohne großen technischen Aufwand aufgezeichnet wurden, empfiehlt sich beim Anhören die Verwendung eines Kopfhörers.

https://audioboom.com/posts/5300933-ich-war-sechzehn-das-kriegsende-in-schwerin

https://audioboom.com/posts/5296120-von-der-ukraine-uber-den-warthegau-in-die-uckermark

https://audioboom.com/posts/5291667-ich-war-zwolf-wenn-kriegskinder-erzahlen

Noch leben diese Zeitzeugen. Noch kann man sie befragen.
Wir versuchen mit unserem Projekt, ihr Wissen aufzubewahren.
Damit nicht eine geschichtslose Generation wieder mit etwas beginnt, an dessen Ende nur Not und Elend stehen.
Den Versuch ist es wert.
Ich will mich bei der Gelegenheit bei all meinen Gesprächspartner bedanken, die uns ihr Wissen und ihre Lebenserfahrung zur Verfügung stellen.

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Warum podcast? Erfahrungen aus Uckerland


Heute habe ich unseren audioboom-Kanal aufgefrischt. Ich hatte ihn seit einiger Zeit in Nutzung, aber noch nicht so, wie das jetzt werden soll.
Über diesen Weg können wir nämlich direkt die Haushalte in allen Dörfern erreichen, denn: man kann ihn direkt auf der Seite abonnieren und bekommt auf diese Weise jeden neuen Beitrag direkt zum Anhören auf das Handy. Ich hab das zuerst bei facebook getestet: es funktioniert wunderbar.
Kirchen-Radio also. So eine Art jedenfalls.
Die Technik dafür ist simpel: ich verwende ein kleines Stero-Aufnahmegerät von Sony, dazu die Software digital voice editor 3.
Die Schritte zum eigenen podcast sind simpel:
1. Aufnehmen
2. auf den Laptop überspielen (einfach per Kabel)
3. als MP3 sichern
Nun gehe ich auf meine audioboom-Seite und drücke „record“, also „aufnehmen“. Angeboten wird mir ein Aufnehmen direkt vom Laptop oder das Hochladen einer Datei. Ich verwende natürlich die Datei, die ich grad aufgenommen habe und lade sie hoch.
4. Wenn ich will, schreibe ich kurz was dazu. Fertig.
Nach 2 Minuten geht ein 2 oder 3 Minuten-Beitrag via facebook in die Welt.

Weshalb ist das für Kirchgemeinden interessant?
Zwei Gründe hab ich:
1. Die dörfliche Gemeinde ist groß, die Entfernungen sind weit, man sieht sich relativ selten. Via audioboom können wir aber im Kontakt bleiben, weil diese Software überall, unterwegs, am Bus, auf dem Schulhof, zu Hause auch per Handy genutzt werden kann (auf dem Laptop oder PC natürlich).
2. Glaube ist eine überaus persönliche Angelegenheit. Jeder Mensch glaubt anders.
Deshalb ist die menschliche Stimme, dem geschriebenen Wort vorzuziehen. Denn hier spricht ein konkreter Mensch mit einer unverwechselbaren, eben seiner Stimme.
Und, da die eigentliche „Währung“ im Internet die Authentizität ist, die „Echtheit“ also, bietet sich nichts mehr an, als die eigene Stimme.

Eine schöne neue Erfahrung, die uns neue Möglichkeiten erschließt, mit den Menschen hier auf dem Lande in Kontakt zu kommen und im Kontakt zu bleiben. Auch können wir auf diesem Weg kranke Menschen erreichen, oder Menschen, die nicht mehr so gut lesen können. Und sie können dann zum Beispiel die Orgel der Dorfkirche hören, in der sie mal getauft oder konfirmiert wurden oder geheiratet haben.
Hier ein Beispiel.
https://audioboom.com/boos/3471557-johann-sebastian-bach-praludium-g-dur-mit-jorg-reddin-dorfkirche-hetzdorf

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Klimawandel konkret: Uckermark


Wenn mir die alteingesessenen Einwohner sagen, „So etwas haben wir noch nicht erlebt!“ dann ist es etwas Besonderes. Gleich hinter dem alten Pfarrhaus fließt der Bach, man nennt ihn den „Köhntopp“. Der ist jetzt im September völlig ausgetrocknet. Nichts mehr. Gar nichts.
Und vom Tollensesee ist in der Zeitung zu lesen, dass der Wasserspiegel um mindestens 25 Zentimeter gefallen ist, was den Ausflugsdampfern mittlerweile zu schaffen macht.
Die Zeitung warnt heute auch vor starkem Wind, der zu „Staubstürmen“ führen kann. Wir hatten im Jahre 2011 bei Rostock schon einen verheerenden Unfall aus diesen Gründen. Das Stichwort heißt Erosion.
Einige Bauern haben die Herbstbestellung ihrer Felder eingestellt, weil sie selbst mit schwerstem Gerät nicht mehr in die Erde kommen, so tief ist sie ausgetrocknet und hart wie Beton.

Das alles sind Hinweise darauf, was uns Klimafolgenforscher in Potsdam seit längerem sagen: das Klima ändert sich bereits und zwar dergestalt, dass in Ostdeutschland Dürre droht. Insbesondere in der Uckermark.

Man muss jetzt handeln.
Die Landesregierungen brauchen einen Plan, nach dem sie vorgehen wollen. Denn es wartet eine Menge Arbeit. Einen solchen Plan gibt es bislang nicht.
Rückhaltebecken müssen angelegt, Zisternen gebaut, neue Hecken und Windschutzstreifen gepflanzt werden.
Man muss sich jetzt mit den Wasserzweckverbänden zusammensetzen und konkret besprechen, wie man sich auf den Rückgang des Wassers in den Sommer- und Herbstmonaten einstellen will. Da wird man eine Menge Sachverstand organisieren müssen.  Und Geld für Investitionen. Handlungsbedarf für Umwelt-, Infrastruktur- und Landwirtschaftsministerien.

Die Landwirte selbst werden andere Anbaumethoden brauchen, klimaverträglichere. Andere Pflanzen inbegriffen, die Trockenheit besser vertragen als die üblichen Mais- und Rapsschläge.
Man wird auch andere Bewässerungsmethoden benötigen, sofern man überhaupt Grundwasser zur Verfügung hat. Wer im Nordwesten der Uckermark lebt, weiß, dass der Zugang zu einem eigenen Brunnen überhaupt nicht selbstverständlich ist.

Wir als Kirchgemeinde haben begonnen, neue Windschutzstreifen und Hecken anzulegen. Das Projekt zieht mittlerweile Kreise, die Kommune hat das Problem der Erosion erkannt und will ihren Beitrag leisten, Gespräche mit Vertretern der Landesregierung zeigen, auch hier kommt das Thema „Klimawandel in Brandenburg“ allmählich an.

Aber: Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir müssen jetzt in Vorsorge investieren, denn im Moment geben die Haushalte noch gewisse Spielräume her, diese Investitionen  vorzunehmen.

Wer hofft, die Lage könnte sich wieder verbessern und trockene Jahre habe es „früher auch schon gegeben“, der irrt.
Denn mit dem Klimawandel hat ein Prozess begonnen, dessen Beginn wir grad erleben und dessen „Ende“ so lange nicht erreicht ist, wie die Emissionen steigen. Und sie steigen. Nach wie vor. Die Situation wird also nicht besser werden, eher im Gegenteil, darauf deuten alle Modellrechnungen hin, die am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung vorliegen.

Jetzt müssen sich Landesregierung und Wasserzweckverbände zusammensetzen.
Jetzt müssen Landwirte und Ministerien gemeinsam überlegen, wie es weitergehen kann.
Jetzt muss investiert werden.
Die Zeit läuft.

 

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Alten Worten nachdenken: Demut


Alte Worte sind klüger als wir, denn sie sammeln in sich mehr Erfahrung, als wir in unserem kurzen Leben ansammeln können. Deshalb lohnt es, ihnen nachzudenken.
Wenn ich „Demut“ höre, fällt mir zunächst „Demütigung“ ein. Im Sinne von Erniedrigung.
Aber genau das ist nicht gemeint.
Ich spüre diesem alten Wort also weiter nach, lese und lerne:
Demut gilt als Tugend.
Und zwar als eine Tugend, die aus dem Bewusstsein unendlichen Zurückbleibens hinter der Vollkommenheit hervorgehen kann. Demut ist die freie Einsicht in meine Unvollkommenheit, in meine Fehlerhaftigkeit, in meine Begrenztheit – in mein menschliches Maß.
Deshalb gilt Demut als Gegenteil von Hochmut.
Unsere Vorfahren unterschieden zwischen „falscher“ Demut und „wahrer“ Demut.
„Falsche Demut“ ist ein Verhalten, das nur demütig erscheint und oft mit eigentlichem Stolz daherkommt.
Falsche Demut ist auch „sklavischer Sinn„.

Wahre Demut dagegen ist die freie Einsicht, dass ich als Mensch begrenzt bin, dass ich für mich Unerreichbares akzeptiere, dass ich mein menschliches Maß akzeptiere, schlicht, dass ich mein Menschsein annehme.
So lerne ich bei den Vorfahren.

Demut also als Ausdruck von Freiheit, nicht als Ausdruck von Unterdrückung und sklavischem Geist.
Das ist eine interessante Spur.

In diesem Sinne bittet schon die Alte Kirche um Demut:
Mir möge in meinem Leben die freie Einsicht meiner Begrenzung durch Größeres geschenkt werden. Nicht als erniedrigende, gewissermaßen erzwungene Akzeptanz von etwas, das ich ohnehin nicht ändern kann, sondern als freie Einsicht beim Nachdenken über das Wesen des Menschen.

In unserer Leistungsgesellschaft, die uns weismachen will, alles sei uns möglich, der Mensch sei außer vom Tod durch nichts begrenzt, wenn er denn nur wolle, ist eine solche Bitte mindestens ungewöhnlich, wenn nicht gar unerhört.
In unserer Leistungsgesellschaft, die uns weismachen will, dem Tüchtigen stünden alle Türen offen, ist die Bitte um Demut eine Torheit.
Die eigentliche Torheit jedoch ist der Glaube, uns sei alles möglich, wir seien „unbegrenzt“.
Menschen, die von ihrer Begrenzung nicht wissen, von ihr auch nichts wissen wollen und folglich glauben, ihnen sei alles möglich, solche Menschen sind gefährlich. Für sich selbst und für ihre Mitwelt, die Natur eingeschlossen.
Denn sie haben ihr menschliches Maß verloren. Sie glauben, sie seien wie ein Gott.

Demut als die freie Einsicht in mein menschliches Maß.
Diese Einsicht gibt mir noch weitere, größere Freiheit, diese Einsicht öffnet ein weiters Tor.
Die Freiheit, zu meiner Begrenzung zu stehen. Ich brauche mich nicht zu überfordern. Ich brauche mich nicht zu „perfektionieren“, brauche nicht „perfekt“ zu sein, weil ich nicht perfekt sein kann.
Aus dieser freien Einsicht entsteht Fröhlichkeit und Gelassenheit. Es ist die „fröhliche Gelassenheit der Kinder Gottes“, wie Luther es mal gesagt hat.
Und es entsteht Selbst-Bewusstsein. Demut ist ein Ausdruck von Selbstbewusstsein.
Und aus Gelassenheit und Selbst-Bewusstsein entsteht Mut.

Deshalb heißt das alte Wort ja auch De-Mut.
Das alte Wort „Demut“ birgt bei genauerem Hinsehen in sich eine ganze Kette von Einsichten.
Dieses alte Wort ist wie eine Leiter, die mich weiter bringt.
Aus der freien Einsicht meiner Begrenzung und Unvollkommenheit entsteht eine fröhliche Gelassenheit, die mich hin und wieder auch mutig sein lässt, Grenzen, die mir andere, ebenso unvollkommene Menschen wie ich, setzen wollen, zu überschreiten.

Nach Erich Fromm (Die Kunst des Liebens) ist Demut die der Vernunft und Objektivität entsprechende emotionale Haltung als Voraussetzung der Überwindung des eigenen Narzissmus. Demut also als Voraussetzung, mich dem anderen Menschen zuzuwenden.

Die Alte Kirche sagt: „Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ („Gnade“ meint ein „reiches Leben“, nicht zu verwechseln mit materiellem Reichtum).
Ich verstehe das alte Wort „Demut“ jetzt besser. Es ist ein weises Wort.

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Der Lehrmeister


Die berühmteste Schule der Antike war ein Garten. Epikur hatte ihn angelegt. In dieser Schule wurden Diplomaten und andere „Führungskräfte“ ausgebildet. Die Schule bestand über 800 Jahre. Da war keine Technik, kein Firlefanz, keine Fördermittel, keine Staatsknete. Da war ein Garten. Genauer: ein Küchengarten, in dem Petersilie wuchs und Zwiebeln wohl auch.
Gärten können zu Lehrmeistern werden. Man lernt Wesentliches:
Geduld zum Beispiel. Wenn man an einer Blume zieht, wächst sie doch nicht schneller……
Toleranz kann man lernen. Und Kooperationsbereitschaft. Vertrauen kann man lernen und Risikofreude.

Auf frisch gepflügtem Feld wurde der Garten 2012 mit Sägespänen angezeichnet

Auf frisch gepflügtem Feld wurde der Garten 2012 mit Sägespänen angezeichnet

All das hat sich bestätigt, seit wir im Frühjahr 2012 den Internet-Garten angelegt haben.
Wir hatten nichts, außer der Idee, einen Garten anzulegen, an dem sich viele beteiligen können. Da war kein Geld, da waren keine Ressourcen, da war gar nichts. Nur eine Idee und ein Gedicht. „Nur eine Rose als Stütze“.
Wir brauchten Risikobereitschaft, Mut, Gelassenheit, Geduld, Ausdauer, Kooperationsbereitschaft, Vertrauen.
Das war das eigentliche Kapital.
Und das trägt nun Zinsen. Mehr, als zu hoffen oder gar zu erwarten war.

2016. An der Pergola

2016. An der Pergola

So sieht der Garten im Jahre 2016 aus.
Wir haben Hilfsbereitschaft erfahren. Menschen fanden sich und beteiligten sich. Rosenstiftungen kamen, Handwerker packten zu, Ehrenamtliche organisierten sich und kümmern sich um Pflanzung und Pflege. Viele Stifterinnen und Stifter beteiligten sich mit einer Rose.
Und dann kam das Fernsehen, der Rundfunk, die Zeitungen – und die Besucher.
Über 5.000 waren schon hier, wir gehen nun auf die 6.000 zu, das sind etwa 25 Busse voller Menschen pro Jahr. Sie kommen einzeln oder in kleinen Gruppen und das ist auch gut so, denn wir wollen keinen Massentourismus. Man kann mittlerweile einfaches Quartier finden im Pilgerhaus am Rosengarten; man kann sich weiterbilden in der kleinen Bibliothek, die auch entstanden ist. Man kann versorgt werden im „Rosencafé“ an den Tagen des Offenen Gartens oder in der Nachbarschaft. Da ist viel geworden, an das wir nie im Traum auch nur gedacht hätten.
Der Garten hat uns in der Gemeindeleitung zu einem Leitbild veranlasst. Da haben wir aufgeschrieben, woran wir uns orientieren in unserer Arbeit:

Unser Leitbild
ist nicht der Dom
sondern das Zelt

ist nicht die Sicherheit,
sondern die Wanderschaft

ist nicht die Festung,
sondern der Garten

ist nicht das Dogma,
sondern das Lied

sind nicht behauptete Wahrheiten,
sondern ist die Begegnung

ist nicht der eingemauerte Gott,
sondern der Gott,von dem wir alles, auch Überraschendes erwarten dürfen,

der uns entgegenkommt wie ein Liebender

Hetzels Dorp hat heute etwa 90 Einwohner. Und ist doch bekannt geworden in Deutschland, in Österreich, in der Schweiz und weit darüber hinaus. Weil da dieser Garten ist, der mit Hilfe von einem Laptop entstanden ist.
Was er uns lehrt?
Fang an und vertraue! Alles andre soll dich nicht bekümmern.
Hör auf, dich abzusichern.
Bitte um Unterstützung.
Mach nicht alles allein.
Mit den Worten unserer Vorfahren: „Lass Dir an meiner Gnade genügen“. Und du wirst die Erfahrung machen: sie trägt.
Deshalb ist der Garten weitaus mehr als eine Rosensammlung.
Er ist uns ein Lehrmeister geworden. Ein strenger, gewiss. Denn nicht selten hat er uns den Schweiß ins Gesicht getrieben. Die Lektionen waren nicht einfach. Aber gut.
Ich kenne keinen besseren Lehrmeister. Gerade in einer Zeit, die nicht vom Vertrauen, sondern vom Mißtrauen geprägt ist. Gerade in einer Zeit, die sich gegen alles und vor allem absichern will, die Grenzzäune errichtet und Fremdes abwehren will. Er ist nicht nur ein Protest gegen den Zeitgeist, sondern er lehrt uns, dass es auch anders geht, als man uns weismachen will. Es gibt Alternativen, andere Wege.
Manchmal ist der Pfad schmal und steil, gewiss.
Aber, wenn man ihn geht, hat man die schönere Aussicht.
Man verlässt die Enge des nur Eigenen und der Horizont wird weit.

 

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Alte Wege gehen – Neues entwickeln


Etwa 200 Jahre alter Weg von Strasburg (Uckermark) nach Carolinenthal

Etwa 200 Jahre alter Weg von Strasburg (Uckermark) nach Carolinenthal

Dieser alte Weg ist vermutlich 200 Jahre alt. Oder sogar noch älter. Er führt von Strasburg (Uckermark) nach Carolinenthal. Wenn man noch weitergehen möchte, geht man nach Fahrenholz.
Ich bin diesen alten Weg heute gegangen, um zu erkunden, wie dieser Abschnitt der „Uckermärker Bauerntour“ aussieht, denn für „Das Hecken-Projekt“ ist eine gründliche Bestandsaufnahme sinnvoll. So kann man das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Von Carolinenthal kann man erfahren: der Ort wurde 1745 erstmals urkundlich erwähnt, ist also älter. Es gibt nur ein paar wenige Häuser im kleinen Ort. Bemerkenswert ist der alte Gutshof, der jetzt wieder hergerichtet ist und eine Buchbinderei beherbergt. Man nannte Carolinenthal auch „Mücken-Krug“ oder Guterbocksches Vorwerk. Heute gehört der kleine Ort zur Gemeinde Uckerland, der flächenmäßig größten ländlichen Kommune Brandenburgs.
Von Carolinenthal nach Fahrenholz führt der Weg am Waldrand entlang. Fahrenholz wurde schon 1287 erstmals urkundlich erwähnt. Einer dieser schönen, sehr alten Orte in der Uckermark.

Etwa 200 Jahre hat diese Eiche schon gesehen. Man findet sie am Weg von Fahrenholz nach Carolinenthal (Uckerland)

Etwa 200 Jahre hat diese Eiche schon gesehen. Man findet sie am Weg von Fahrenholz nach Carolinenthal (Uckerland)

Man findet noch wertvolle alte Baumbestände an diesem schönen Abschnitt der „Uckermärker Bauerntour“. Etliche hundert Meter blühende Kastanien, alte Eichen und – sehr besonders an diesem Weg – sehr alte Kopfweiden, die, obwohl sie aus größerer Entfernung wie „Baumruinen“ wirken, doch voller Leben sind.
Wer diesen alten Wegabschnitt aufmerksam geht, wird Felder finden, die mit großen Bäumen eingefaßt sind. Linden, Eichen, Kastanien. „Verwertbares Holz“, denn die Früchte wurden oftmals für die Tiermast eingesetzt. Die Bauern konnten rechnen. Deshalb schützten sie ihre Äcker vor Erosion und sie pflanzten, was nützlich war. Das ist heute oft anders. Da denkt man kurzfristiger, richtet sich nach der „Marktlage“ und nicht nach den Bedarfen kommender Generationen.

alte Straße von Strasburg (Uckermark) nach Carolinenthal. Rechts mit Baumbestand, links mit Schlehenhecke. Die Straße und einzelne, noch erhaltene Bäume sind etwa 200 Jahre alt

alte Straße von Strasburg (Uckermark) nach Carolinenthal. Rechts mit Baumbestand, links mit Schlehenhecke. Die Straße und einzelne, noch erhaltene Bäume sind etwa 200 Jahre alt

Unsere Vorfahren haben die alten Wege angelegt und sie bepflanzt. Wir könnten uns sonst nicht an ihrer Schönheit freuen.
Daran kann man denken, wenn man nun daran geht, und die alten, mittlerweile sehr lückenhaft gewordenen Hecken wieder schließt und neue anlegt. Schritt für Schritt wollen wir das tun. Stück um Stück, Abschnitt um Abschnitt. Damit sich unsere Nachfahren einmal daran freuen können.
Wir wollen das nicht alleine tun, sondern haben unser Projekt geöffnet für Menschen, die etwas für ihre Nachkommen tun wollen. So wird ein schönes Gemeinschaftswerk entstehen. Nach und nach. Schritt für Schritt. Abschnitt für Abschnitt.
Und, wenn es gut wird, werden unsere Pflanzungen so, wie die alten Hecken, die man heute noch sehen kann, noch in 200 Jahren zu sehen sein.
Wenn Sie sich daran beteiligen möchten, können Sie das hier tun.
https://www.betterplace.org/de/projects/42756-das-hecken-projekt-in-uckerland

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