Morgen ist Ewigkeitssonntag, das Kirchenjahr geht zu Ende.
Ein neues wird am Ersten Advent beginnen.
Zeit, zurückzudenken an das, was werden wollte, was war und nun vorüber ist.
„Niemand steigt zweimal in den selben Fluss“ heißt es in China – weil die Zeit fließt.
Kein Tag ist wie der andere, jeder Tag ist neu und voller Überraschungen.
Am Ende meiner beruflichen Laufbahn hatte ich mich dafür entschieden, eine Kirchgemeinde zu übernehmen „in der Hilfe gebraucht wird“ – das war meine Bedingung. Ich wollte mich überraschen lassen, wollte schauen, ob Neues werden kann.
Es wurden sechs aufregende und sehr gute Jahre im Nordwesten der Uckermark, an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern, anfangs als Teil der Pommerschen Kirche, nach deren Ende als Teil der Nordkirche. Gleich auf der anderen Seite der Bundesstraße beginnt die Berlin-Brandenburgische Landeskirche.
Grenzland.
Unsere Gegend hier war schon immer Grenzland.
Man ist es hier gewöhnt, Grenzen zu überschreiten.
Und genau das hat mich interessiert.
Als ich kam, wollte ich vor allem wissen, was angesichts der Bedingungen überhaupt „geht“. 20 Ortschaften, 11 Kirchen, 9 Friedhöfe. Eine Mitarbeiterin für Kinderarbeit stundenweise. Alles andere ehrenamtlich. Kein Kantor, kein Küster, niemand für Jugendarbeit. Man ist allein auf weiter Flur.
Also: was geht überhaupt, zumal bei den großen Entfernungen?
Es geht sehr viel.
Wenn man sich von Althergebrachtem konsequent löst.
Den Besuchsdienst machen die Ältesten. Kasualien müssen gemacht werden – Aufgabe des Hauptamtlichen.
Aber Gottesdienste? Das geht schon gemischt. Lektoren helfen.
Auch die Zeiten dafür ändern sich: Samstags, Sonntags, aber auch wochentags.
Sehr gut funktionieren „Projekttage“ – die Tages der offenen Gärten beispielsweise.
Sehr gut funktioniert, wenn wir als Kirchgemeinde unseren Beitrag zum Dorffest beisteuern: ein „Treffen der Chöre“ beispielsweise.
Bei uns heißt es: wer sich beteiligt, gehört dazu. Egal, ob getauft oder nicht.
Und unser Motto war und ist: suchet der Stadt Bestes (nicht euer eigen Bestes).
Unsere Frage in der Gemeindeleitung war folglich: was können wir für die Dörfer tun?
Und da ist sehr vieles gelungen.
Hetzels Dorp ist nun bekannt. Nicht nur in Deutschland.
Hetzels Dorp hat nun einen sehr großen Freundeskreis weit über Deutschland hinaus (über 40.000 Menschen verfolgen, was hier geschieht).
Sehr viele neue Kontakte sind entstanden – die Rosen haben das möglich gemacht. Über 7.000 Menschen waren leibhaftig hier – alles Multiplikatoren, Netzwerker, Weitererzähler.
Die Kirchgemeinde ist mitten im gesellschaftlichen Alltag angekommen, keine Randnotiz mehr und sie bringt ihren Beitrag zur Entwicklung der Kommune dazu. Ein gutes Miteinander ist entstanden zwischen Kommune und Kirchgemeinde.
All das ist sehr ermutigend. Wir sind konsequent neue Wege gegangen.
Vor allem, was die Kommunikation anbelangt. Ohne Internet geht hier gar nichts mehr.
Und das war richtig.
Und das hat sich mittlerweile bewährt.
Wir waren als Kirchgemeinde die ersten hier auf den Dörfern, die vom ersten Tag an konsequent das Internet genutzt haben, vor allem social media. Das war anfangs überhaupt nicht selbstverständlich – jetzt ist es selbstverständlich.
Dadurch haben sich die Gemeindegrenzen verschoben. Zu uns gehören nun nicht mehr nur Menschen die hier bei uns wohnen, sondern auch ein großer Kreis von Menschen, die ganz woanders leben und wohnen – uns aber verbunden sind. Nicht nur ideell übrigens.
Die theologischen Fachleute wissen, dass das auch auf eine moderne Ekklesiologie Auswirkungen hat und reflektiert werden muss – eine Aufgabe für die Universitäten und Ausbildungsstätten.
Es waren spannende, ermutigende, sehr interessante, oft auch anrührende sechs Jahre, die ich hier in Uckerland, hier in der Evangelischen Kirchgemeinde Pastor sein durfte.
Und ich bin all denen von Herzen dankbar, die mich dabei unterstützt haben.
Manchem war ich zu schnell – dafür bitte ich nachträglich um Pardon, aber ich hatte mir halt schon vorher überlegt, was ich wollte….
Danken will ich allen, die mich trotz meines Tempos warmherzig aufgenommen, unterstützt und getragen haben. Ohne das Gefühl, von einer großen Gemeinschaft getragen zu werden – übrigens ziemlich egal, ob Kirchenmitglied oder nicht – ohne dieses Gefühl wäre es nicht gegangen.
Nun sind alle Projekte, die wir begonnen haben soweit, dass sie selbständig weitergeführt werden können. Nun ist auch eine Nachfolgerin gewählt.
Nun kann ich in den Ruhestand. Der Acker ist gepflügt, die Saat ist gesät.
Dorothea Büscheck wird als neue Pastorin ihren Dienst antreten.
Wir haben uns darauf verständigt, dass wir Verabschiedung und Einführung in einem gemeinsamen Gottesdienst am 6. Januar um 14 Uhr in Wilsickow gestalten wollen.
Damit der Staffelstab ohne Unterbrechung gleich weitergereicht werden kann.
Morgen geht das alte Kirchenjahr zu Ende. Ewigkeitssonntag.
Und dann beginnt das neue Jahr mit dem Ersten Advent.
Wir gehen weiter auf unserem Lebensweg.
Wir gehen weiter dem entgegen, der uns längst entgegenkommt wie ein liebender Vater.
Wir feiern dann gemeinsam in der Heiligen Nacht die Ankunft dessen, der ganz Mensch geworden ist und der bei uns wohnen will und bei uns wohnt. Mitten unter uns.
Das ist die gute Nachricht.
P.s. Und wer mich im neuen Jahr sucht, der findet mich hier.